Eine Freundlichkeit
von Ken McCaskill
Mein Lehrer hat die erstaunlichsten Freunde.
„Ich glaube, Alan kommt auf einen Besuch vorbei,“ sagte er zu mir, „lass uns mal schauen, ob wir ein kleines Seminar zustande bekommen.“ Ich ging also zu den anderen Schülern. „Sensei Nagahisa kommt —“, sagte ich. „Wann? Nein, egal, ich komme“ war die einhellige Antwort.
Überraschenderweise brauchten nur wenige neue Schüler eine Erklärung: Geschichten seines letzten Besuches machten noch immer die Runde. Warum auch nicht? Sensei Alan Nagahisa, der Dojo-Cho des Aikido-Ohana in Honolulu, ist ein hervorragender Aikidoka und ein wunderbarer Mensch. Er hat immer ein Lächeln auf den Lippen, Vögel landen manchmal auf seiner Schulter und singen ihm zu, wie in einem Disney-Film.
Es gab noch eine weitere Überraschung. Sensei Alex Tripp, einer der Hauptlehrer von Aikido-Ohana, würde auch kommen. Er sagte uns, dass er sich entschlossen hatte, seinen alten Freund Sensei Krenner zu besuchen:
„Alan fragte mich, ob ich ihn nicht begleiten wolle, wenn er Walther besucht“, sagte er, „das wäre großartig, ich bin seit zehn Jahren nicht mehr in Montana gewesen. Alan hat schon ein Ticket für mich gebucht!“
Sie lachten und freuten sich auf die Ausflüge und die alten Freunde wieder zu sehen. Viele halten Hawaii für ein Paradies, doch Montanas Berge, Flüsse und Ebenen sind dennoch ein schönes Urlaubsziel. Einer unserer Schüler wunderte sich, wie wir während des heißen Sommers trainieren sollten, doch unsere Gäste lachten, denn nach hawaiianischen Standards war es gar nicht so heiß.
Beide Lehrer haben ein tiefes und profundes Verständnis von Aikido; und Zeit mit ihnen ist sinnvoll verbracht. Doch das Interessanteste sind ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Sensei von Krenner, Sensei Nagahisa und Sensei Tripp haben auf Hawaii für viele Jahre gemeinsam trainiert, im gleichen Dojo, beim gleichen Lehrer und miteinander. Das liefert eine gemeinsame Basis für ihre Prinzipien der Bewegung. Doch Sensei von Krenner hat seit 1981 in Montana unterrichtet, während Sensei Nagahisa und Tripp auf Hawaii blieben. Jeder hat einen eigenen Geschmack in seinen Bewegungen: Nagahisa-Sensei hat einen sofort erkennbaren Fluss mit großen, starken Kreisen und präzisem Maai, der zuverlässig Kuzushi verursacht.
Sensei Tripp arbeitet sehr präzise mit den Füßen, nutzt kleine Änderungen seiner Hüftdrehung und der Hüfthöhe, betont Atemi und korrektes, stabiles Hanmi. Alle wenden bei einer Technik die gleichen Prinzipien, doch kleine Variationen in Stil und Persönlichkeit fallen ins Auge.
Außerdem fällt der Größenunterschied auf. Sensei von Krenner ist über 6 Fuß groß Unsere beiden Gäste von Hawaii sind fast einen Fuß kleiner. Es ist erhellend diese drei außergewöhnlichen Lehrer beim Training zu beobachten, wie das Aikido, das sie von ihren Lehrern gelehrt bekamen, zu ihrem eigenen wurde.
Sensei Nagahisa, mit seinem abgenutzten Hakama, begrüßt jeden lächelnd mit ausgestreckter Hand. „Ich bin Alan“, sagt er. Doch auf der Matte spricht ihn niemand so informell an. Sein Aikido strahlt Kraft, Präzision und Eleganz aus und – zuallererst – eine spürbares Willkommen: Dass du willkommen bist, mit ihm gemeinsam zu üben und auch ihn anzugreifen. Aikido lehrt das Gegebene mit Dankbarkeit zu akzeptieren, auf der Matte und im täglichen Leben. Sein starker Körperbau erzeugt ein Kokyu, das man gesehen haben muss, um es zu glauben. Seine präzise Fußarbeit zeigt seine Übung mit dem Schwert.
Das Lächeln von Sensei Tripp erleuchtet den Raum. Er freut sich über jeden einzelnen auf der Matte und seine oder ihre Geschichte zu hören Sein Aikido wird am besten als präzise beschrieben: Fußarbeit, Handposition und sorgfältige Körperhaltung „Schütze dein Gesicht, schütze deinen Körper“, sagte er. Wie er die Hände führt, erinnert mich an die Te-Katana von Doshu: Immer offen, die Handkante immer dem Uke zugewendet, während seine kurzen doch kräftigen Hüftdrehungen einen an einen hochfähigen Boxer erinnern. „Ich bin klein,“ sagte er, „daher muss ich alles nutzen, was ich habe.“ Wie sich herausstellt, hat er neben Boxen auch noch Karate gelernt.
An dem Seminar nehmen die verschiedensten Schüler teil; von neunjährigen Anfängern (deren Aufmerksamkeit gelegentlich wandert), zu den Yudansha, bis zu Yon-dan: Unser Gast sprach mit allen auf dem Level den sie verstehen konnten. Er zeigte ihnen wie sie ihre Handposition verbessern können oder ihren Stand oder wie sie weniger Kraft einsetzen sollten. Alle diese kleinen Dinge, aber auch viele große In jeder einzelnen Übungsstunde hat jeder etwas Nützliches mitgenommen. Unsere Gäste blieben für eine Woche, so dass wir sogar zu unserem regulären Trainingsplan sogar noch einen Trainingstag hinzufügen konnten. Und wir waren sehr dankbar für ihren Besuch. Wir haben Notizen, Übungen und Photos, die uns helfen das zu bewahren, was sie uns zeigten, bis zu ihrem nächsten Besuch.
Beide haben angemerkt, wie willkommen sie sich in unserem Dojo gefühlt haben. Sie haben uns eingeladen Aikido-Ohana zu besuchen und manche Schüler haben begonnen für diese Reise zu sparen. Es gibt Schlimmeres als seinen Urlaub mit Training auf Hawaii zu verbringen.
(Ken McCaskill ist Yon-dan und Assistenzlehrer des Aikido Kenkyu Dantai (Aikido Studiengruppe) in Kalispell, Montana. Sensei Walther von Krenner, Hachi-Dan, ist der leitende Lehrer des AKD.)
Copyright © der deutschen Übersetzung: Stefan Schröder, 4.11.2011